"Botschafter des Mutes" Rede des 1. Vorsitzenden, Bernd Zschiesche anlässlich der Weihnachtsfeier 2018

Liebe Freundinnen und Freunde,

blaues_kreuz_muenchen_ev_bodelschwingh_copyrightartsnact ich heiße Euch sehr herzlich zur heutigen Adventsfeier willkommen. Begrüßen möchte ich unseren ehemaligen Vorsitzenden Werner Heger und seine Frau. Schön, dass Ihr Euch zu unserer Feier eingefunden habt.
Insbesondere begrüße ich Herrn Dekan Dr. Jahnel, der uns dankenswerterweise in die Adventsfeier einstimmen wird.

Bevor ich zu meinem Thema der heutigen Adventsfeier komme, möchte ich etwas in eigener Sache sagen: Im Laufe der letzten 12 Monate hatte ich einige schwere Erkrankungen, die ich nunmehr ganz gut überstanden habe.
Geblieben sind mir aber Panikattacken. Sie treten vor allen Dingen dann auf, wenn ich mich in großen Versammlungen befinde, in denen eine gewisse Erwartungshaltung an mich gerichtet ist. Diese Adventsfeier ist genau die Situation, in der ich mit der Panikattacke rechnen muss. Ich weiß also nicht, ob ich es schaffe, diese Rede zu Ende zu bringen.

Warum spreche ich vor Euch über meine Panikattacken?
Ich möchte Euch Mut machen, mit den eigenen krankheitsbedingten Schwächen offen umzugehen. Es senkt die Erwartungshaltung der Umgebung und senkt damit den eigenen Druck.

Krankheitsbedingte Schwächen haben nichts mit dem Wert eines Menschen zu tun!

Und nun möchte ich zum eigentlichen Thema kommen:

Liebe Freundinnen und Freunde,
die Adventszeit ist die Zeit der Botschaften und deshalb möchte ich heute über das Thema Botschafter zu Euch sprechen.
Der erste bekannte Botschafter war  in der Antike der Marathonläufer, der von Marathon nach Athen lief, um den griechischen Herrschern mitzuteilen, dass die Perser von den Griechen besiegt wurden.
Der Bote überbrachte eine frohe Botschaft und durfte davon ausgehen, dass er in Ehren empfangen wird. Leider kam er nicht mehr in den Genuss von Wohltaten, weil er durch die körperliche Anstrengung starb.

Botschafter lebten in der Antike bis in das späte Mittelalter immer gefährlich, wenn sie für den Empfänger schlechte Botschaften überbringen mussten. Oft wurden sie eingekerkert oder sogar umgebracht.

Die Christen um die Zeit Kaiser Neros waren auch Botschafter. Sie hatten eine frohe Botschaft zu verkünden, nämlich die Geburt Jesus, den Sohn Gottes. Die Herrschenden sahen in der Botschaft Christi Geburt allerdings ganz und gar nicht die frohe Botschaft. Sie sahen die Gefahr des Machtverlustes und damit war die christliche Botschaft für sie eine schlechte und gefährliche Nachricht. Die Folge waren die Christenverfolgungen. Das Christentum ist durch die vielen Botschafter des Glaubens verbreitet worden. Jeder Christ war ein Botschafter. Und nur die große Menge der Botschafter bewirkte die Akzeptanz der christlichen Lehre in der Gesellschaft. Die Gesellschaft wurde durch die vielen Botschafter des Christentums verändert.  

Warum erzähle ich Euch die Geschichten von den Botschaftern?

Wir abstinent lebende Alkoholkranke haben doch auch eine frohe und gute Botschaft zu verkünden. Wie lautet denn unsere Botschaft?

-    Wir haben die Abhängigkeit vom Suchtmittel überwunden
-    Wir waren ganz unten, sind aufgestanden und leben wieder ein ganz normales Leben
-    Wir gehören wieder zu den Leistungsträgern unserer Gesellschaft
-    Wir helfen und unterstützen Abhängige auf dem Weg in die Abstinenz

Sind das keine frohen und guten Botschaften?

Wir haben allen Grund diese Botschaften in unsere Gesellschaft zu tragen. Aber was machen wir?
Wir verkünden unsere Botschaften nicht:
Wir verheimlichen unsere Krankheit, obwohl wir viele Jahre abstinent leben. Und wie argumentieren wir?

-    Meine Krankheit geht niemanden etwas an
-    Das sage ich nur im engsten Verwandtenkreis
-    Das sage ich nur ausgesuchten Freunden
-    Das könnte mir vielleicht schaden, wenn jemand von meiner Krankheit erfährt
-    Ich schäme mich, darüber zu reden
-    Ich verliere an Ansehen, wenn meine Krankheit bekannt wird
-    Ich habe Angst, Freundschaften zu verlieren
-    Ich habe keine Lust, ständig Fragen zu meiner Krankheit zu beantworten

Auf der einen Seite beklagen wir uns, dass Alkoholkranke in der Gesellschaft nicht gut angesehen sind, auf der anderen Seite tun wir sehr wenig, dieser negativen Einstellung der Gesellschaft entgegenzuwirken.

Liebe Freundinnen und Freunde,
die Gesellschaft ändert sich niemals von alleine! Sie ändert sich nur, wenn Impulse in langer Zeit auf sie einwirken – wie bei der christlichen Botschaft. Ein Umdenken in unserer Gesellschaft werden wir nur erreichen, wenn wir abstinent lebende Alkoholkranke in der Masse als Botschafter auftreten und Aufklärungsarbeit über die eigene Betroffenheit leisten. Die Christen sind als Botschafter in die Gesellschaft gegangen und haben sie verändert. Und genau diesen Weg müssen wir auch beschreiten. Wir haben doch eine frohe Botschaft zu verkünden, warum tun wir es dann nicht?

Wir brauchen keine Angst davor zu haben uns offen zu unserer Krankheit zu bekennen.
Eine krankheitsbedingte Schwäche hat doch nichts mit dem Wert des Menschen zu tun!

Unsere Referentinnen und Referenten, die an Schulen und in Firmen Suchtprävention leisten und hier offen über ihre Krankheit sprechen bestätigen immer wieder, dass die Zuhörer tief beeindruckt sind und den Blaukreuzlern größten Respekt zollen.
Es stimmt, jederzeit offen über seine Krankheit zu sprechen erfordert ein gutes Selbstbewusstsein und anfangs auch Kraft. Denken wir dabei aber an Friedrich von Bodelschwingh: „ich bin ein Held“ und „ich bin ein Mensch erster Klasse“
Wir wollen, dass die Gesellschaft uns positiv anerkennt, dann müssen wir aus unseren Verstecken kommen und Botschafter werden.

An den Gedanken, nach Jahren der Abstinenz, Botschafter der Alkoholkrankheit in der Gesellschaft zu werden, muss man sich erst gewöhnen und es müssen Ängste abgebaut werden.
Dazu wünsche ich mir über diese Thematik eine großangelegte Diskussion innerhalb unseres Vereins, nämlich
-    in unseren Selbsthilfegruppen
-    an den Mitarbeiterabenden
-    und in unseren Seminaren

Haben wir Mut, neue Wege zu gehen, um die Gesellschaft zu verändern! „Wir sind Helden“ und „wir sind Menschen erster Klasse“, dann handeln wir doch auch so!

Liebe Freundinnen und Freunde,ich wünsche uns nun eine schöne Adventsfeier, ich wünsche Euch eine besinnliches Weihnachtsfest und ein neues Jahr bei guter Gesundheit.

Vielen Dank